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Meine Krebserkrankung – Nachsorge

Meine Krebserkrankung – Nachsorge

life goes on

Nachsorge NET Lunge

Hallo du,
falls du noch relativ neu auf meinem Blog bist, wirst du es vielleicht nicht wissen, besuchst du mich allerdings schon länger, ist dir das Thema nicht neu.
Vor gut 1,5 Jahren hatte ich einen Tumor in der Lunge, dieser wurde operativ entfernt, ich habe eine Reha besucht und konnte relativ schnell wieder meiner Tätigkeit als Erzieherin nachgehen. Du kannst den Verlauf hier auf meinem Blog nachlesen.

NET Lunge – Diagnose
Teil 2 zum Thema Typisches Karzinoid
Bericht über Operation NET Lunge (Doppelte Manschettenresektion links)
Nachblutung nach der Operation // zweite OP nötig
Postoperativer Verlauf NET Lunge
Drainage ziehen und Klammern entfernen
Herzrhythmusstörungen nach Lungen-OP

Da ich noch immer häufig darauf angesprochen werde und auch meine Blogposts diesbezüglich verlinkt werden, möchte ich heute mal wieder ein Update geben.

Wo fange ich an? Gute Frage!
Fangen wir bei den Nachsorgeterminen an.

Erste Nachsorge
Zweite Nachsorge

Kürzlich hatte ich gerade wieder eine Lebersonografie, vor 2 Monaten eine Bronchoskopie. Es ist alles in Ordnung und die Ärzte sind mit dem Verlauf sehr zufrieden. Im Januar muss ich nun noch einmal ins CT, zur Bronchoskopie und zur Lebersonografie, danach sind diese Untersuchungen nur noch einmal im Jahr notwendig, manche Ärzte sagen sogar, dass ich gar nicht mehr zur Nachsorge muss.

Wie ich mich fühle? Das kommt ganz darauf an. Mein Leben ging relativ schnell weiter, ich habe damals direkt meine Fachwirtprüfung gemacht, einen anderen Job angetreten und mich abgelenkt. Ich hatte das Leben und die positiven Dinge im Kopf. Ich wollte alles und das am Besten auf einmal, Leitungsstelle, heiraten, Freiheit, im Ausland leben etc.!
Diese Dinge sehe ich zum Glück wieder etwas klarer und ich denke, dass ich wieder einen Weg gefunden habe, mein Leben “normal” in einer “regulären” Geschwindigkeit zu leben.
Die positiven Dinge im Leben sehe ich immer noch, doch auch hier stellt sich nach und nach, egal ob man es will oder nicht, wieder der Alltag ein.
Psychisch hat mich die Ganze Nummer eingeholt, ich musste mich den Ereignissen stellen, denn nach der OP und der Reha, war zwar das Offensichtliche wieder heil, meinem Inneren hat es aber einen Schlag verpasst, dessen Ausmaß mir nicht bewusst war. Die Ärzte hatten es mir bereits damals gesagt, doch ich dachte: Ach was, ich habe alles überstanden.

Es vergeht kein Tag, an dem ich nicht an die Erkrankung denke, manchmal positiv, wenn ich mich erinnere, was ich alles geschafft habe, welch tolle Menschen ich kennengelernt habe und das ich es geschafft habe, das wirklich wichtige im Leben zu sehen. An anderen Tagen steigt aber die Angst in mir auf. Fragen und Ängste kommen mir in den Kopf:
“Was ist, wenn bei den Nachsorgeuntersuchungen etwas gefunden wird?” “Noch einmal schaffe ich das nicht, das darf einfach nicht noch einmal passieren.” “Ich möchte nicht, dass sich noch einmal ein Arzt vor mich stellen muss, um mir eine solche Nachricht zu unterbreiten etc.”
Dies sind alles Gedanken, die ich gerade vor solchen Nachsorgeterminen habe. Sobald der Termin feststeht, kreisen meine Gedanken darum. Manchmal sticht es dann sogar im Bereich der Leber oder meine Knochen tun weh. Nach den Untersuchungen sind diese Phantomschmerzen dann wieder verschwunden. Nie zuvor hätte ich gedacht, dass die Psyche so etwas mit einem anstellen kann.

Ich habe kürzlich lange mit einem Thoraxchirurgen darüber gesprochen. Er meinte, dass meine Gedanken ganz normal sind und er häufig beobachtet, dass junge Menschen mit einer guten Prognose lange Zeit Probleme haben, die Angst abzulegen und nach vorn zu blicken.
Die Angst ist einfach allgegenwertig und vor einigen Monaten hätte ich dies nicht für möglich gehalten.

Das hört sich jetzt alles schrecklich negativ an, ist es aber nicht. Auch heute kann ich noch positive Dinge aus meiner Erkrankung ziehen. Ich lebe seitdem anders, intensiver und fröhlicher. Ich mache mir um viele Sachen weniger Gedanken, lasse mir weniger gefallen und denke mir häufiger: Leck mich doch am Arsch.

So war es auch vor 2 Monaten. Mein neuer Job hat mich schnell angekotzt, sei es die Kollegen, die wirklich merkwürdige soziale Arbeit oder das Umfeld. Es hat mich aufgeregt, aufgewühlt und nicht erfüllt. Vor 2 Jahren hätte ich es vermutlich ausgestanden oder für längere Zeit durchgehalten. Heute sehe ich es anders und deswegen habe ich auch anders gehandelt. In meinem Berufszweig stehen zahlreiche Türen offen und man kann es sich aussuchen, wo man arbeitet, deswegen habe ich nicht gezögert, gesagt: Ihr seid scheiße und ich bin weg! Und weißt du was, es war die richtige Entscheidung und ich würde sie immer wieder treffen!

Viele Fragen mich auch, ob ich Probleme mit meiner Narbe hätte, sie sei ja doch sehr groß. Ich kann darauf nur antworten: NEIN, überhaupt nicht!
Und das ist die Wahrheit. Es stört mich einfach nicht. Was ist schon so eine Narbe im Vergleich zu meinem Leben? Durch diesen Schnitt wurde mir das Leben gerettet, diese Narbe gehört zu mir und es stört mich überhaupt nicht. Wie sagt man so schön, Narben zeichnen Geschichten? Und so ist es auch bei mir. Außerdem ist die Narbe gut verblasst und wetterfühlig ist sie auch nur ganz leicht.

Wie geht mein Umfeld mit der Situation um?
Eigentlich ganz normal, zumindest spüre ich nicht, dass sie sich ständig Sorgen um mich machen. Die Menschen, die mir Nahe stehen, machen mir Mut, sind in schwierigen Momenten für mich da und unterstützen mich, wo sie nur können.
Einen Menschen habe ich verloren und ich glaube, daran bin ich nicht unschuldig. Nach meiner Erkrankung war ich wirklich stellenweise schräg drauf und ich glaube, damit kam die Person einfach nicht zurecht. Wenn ich es Review passieren lasse, habe auch ich Fehler gemacht, meine Prioritäten falsch gesetzt und Sachen, die man trennen musste, nicht getrennt.
Andere Menschen sagen mir, ich soll darauf scheißen, die Freundschaft kann nicht stark genug gewesen sein und das ich in dieser Hinsicht keine Fehler gemacht habe.
Irgendwas ist aber schief gelaufen, sonst würde diese Freundschaft, die mir wirklich wichtig war, noch bestehen. Nach meinem Empfinden habe ich einiges versucht, die Freundschaft zu retten, doch mittlerweile bin ich mit meinem Latein am Ende.
Dieses Thema ist aber schon wieder fast einen eigenen Beitrag wert und die gesamte Situation hier niederzuschreiben würde für diesen Bericht den Rahmen sprengen.

Viel mehr gibt es momentan zu dem Thema Nachsorge und Krebserkrankung nicht zu berichten. Ich mache das Beste daraus und hoffe das ich irgendwann unbeschwert zu den Nachsorgeterminen gehen kann. Es gehört einfach zu meinem Leben und meine Aufgabe ist es, dies zu akzeptieren.

Life goes on


  1. beauty/beast

    11 Oktober

    Ich finde es wirklich unglaublich bewundernswert, wie du damit umgehst und auch das du deine Geschichte mit der Bloggerwelt teilst. Ich wünsche dir weiterhin ganz viel Kraft <3

  2. Lena Lämmert

    11 Oktober

    Hey Natalie,
    Schön, dass du deine Erlebnisse mit uns teilst! Und schön zu hören, dass sich bisher nichts neues gebildet hat. Ich drücke weiterhin die Daumen!
    Ich selbst hatte vor 5 1/2 Jahren Lymphdrüsenkrebs, das hieß dann 4 Monate Chemo mit allem was dazu gehört. Glücklicherweise hat die Chemo direkt angeschlagen, wodurch mir die Bestrahlung erspart blieb. Auch ich muss (mittlerweile nur noch einmal im Jahr) zur Nachsorge, und da hat man schon immer ein komisches Gefühl..
    Toitoitoi dir weiterhin, und wenn ich die Tage mal etwas Zeit habe, werde ich auf jeden Fall mal deine ganze Geschichte lesen 🙂
    Liebe Grüße, Lena

  3. Evy

    11 Oktober

    DAnke, dass du das für deine Leser aufgeschrieben hast 🙂 Du hast das so positiv aufgeschrieben 🙂 Und ja, manche Leute gehen einfach und man kann nix tun.

  4. Madlen

    14 Oktober

    Hey Natalie,

    ein toller Post bei dem mir so unendlich viele Tränen grad geflossen sind.
    Ich weiß nicht, ob du es mitbekommen hast über Facebook oder Instagram, aber du wusstest ja, dass mein Papa Lungenkrebs hatte. Vor 5 Wochen hat er den Kampf verloren 🙁 Die letzten zwei Monate waren echt schwer für uns alle, denn er pendelte immer zwischen daheim und Krankenhaus. Zuletzt im August war er austherapiert, man konnte nichts mehr tun. Zwei Wochen später hat ihn Gott erlöst!

    Die Angst, die du hier ganz und gar menschlich beschreibst, hatte mein Papa auch. Diese Angst trägt jeder in uns und irgendwann kommt sie nunmal zum Vorschein. Mein Papa musste deswegen starke Tabletten nehmen – auch Antidepressia. Und auch wenn er nun seinen Frieden hat, müssen wir mit den letzten zwei Jahren fertig werden. Wir haben mitgelitten, mitgekämpft, geweint, geflucht, waren wütend auf diesen Scheiß Krebs – und trotzdem nimmt er einem Menschen das Leben! Ich hoffe das die Medizin in dieser Hinsicht noch weiter forscht und es irgendwann nicht mehr dazukommen muss, dass der Betroffene und die Angehörigen so leiden müssen.

    Ich sag's ganz und gar ehrlich, ich bin mittlerweile fertig mit den Nerven und ich suche gerade schnellstmöglich nach einem Therapieplatz, denn ich habe das Gefühl ich brauche professionelle Hilfe im Bezug auf die letzten Jahre und das Verarbeiten der Trauer.

    Ich bin froh, dass es bei dir positiv weiter verläuft und das wünsche ich dir auch für die nächste Zeit. Bleib stark und sieh positiv in die Zukunft. Alles Gute! 🙂

    • natalieorlob

      14 Oktober

      Liebe Madlen, ja auf Instagram habe ich es mitbekommen. Ich habe ich aber bewusst nicht bei dir gemeldet, bei so einer schlimmen Situation ist es wie ich finde schwer die richtigen Worte zu finden und ich kann mir vorstellen, dass du lieber deine Ruhe wolltest. Es fällt Angehörigen ja auch schwer, wenn sie ständig wieder damit konfrontiert werden.
      Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass du mit deinen Nerven am Ende bist, so eine Sache ist schrecklich und ich denke, für die Angehörigen genauso schlimm wie für die betreffende Person. Dein Papa hatte ja echt eine böse Version dieses scheiß Krebses und wenn man dann auch noch die Gewissheit hat, nichts tun zu können, beginnen schreckliche Wochen und Monate. Deswegen finde ich es super gut, dass du dir bewusst und klar bist, dass du Hilfe benötigst. Es gibt auch spezielle Therapien für die Trauerbewältigung bei Krebspatienten, hier sollte man recht schnell einen Platz bekommen.
      Und auch wenn es schwer fällt, Igel dich nicht ein, geh unter Leute und beginne wieder zu leben, sei egoistisch und denk auch mal an dich.
      Ich wünsche dir nur das Beste. 🙂

  5. San Dra

    15 Oktober

    Gugug,
    erst einmal ganz toller Post, den ich sehr ergreifend finde. Ich finde es unglaublich toll, wie stark du rüber kommst!!!!!
    Ich wünsche dir alles alles Gute und vorallem ganz ganz viel Gesundheit.
    Lg Sandra
    blogsvonsandra.blogspot.com

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